Wir finden die Farm im Norden Thailands, als wir von Pai
in Richtung Chiang Mai fahren und exakt beim Grenzstein, welcher 6 km
anzeigt, einbiegen. Ein großes, gelbes Schild zeigt
"Tacomepai", den Namen der Farm an, welche von einem über 60 Jahre alten Farmer namens
Sandot betrieben wird. Er heißt uns sofort willkommen, indem wir in den
Teich schwimmen gehen. Danach können wir uns ein
Haus aussuchen.
Die Häuser sind alle von Freiwilligen über die Jahre hinweg erbaut
worden - jedes repräsentiert den Stil eines Stammes der Gegend.
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Bei km 6 von Pai nach Chiang Mai zeigt ein gelbes Schild den Weg zur Farm |
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Sandot, der über 60 Jahre alte, aber topfite Farmer, erklärt die Reisernte |
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Unser Haus, erbaut im Stil des Stammes Karen |
Das Leben auf der Farm ist ein Wahnsinn. Es zeigt uns, wie
faire Gesellschaften
funktionieren. Jeder hier kann ein Projekt starten, kann anfangen,
etwas aufzubauen. Die Leute arbeiten einfach so zusammen. Dann am Abend
treffen sich alle in der Küche und es wird zusammen gegessen. Es ist
egal, ob man nur Aufträge für jemanden anderen erledigt hat, oder ob man
selber ein Projekt leitet.
Jeder bekommt Essen, jeder hat ein Dach über dem Kopf.
Dinge oder Arbeiten müssen nicht in einem ökonomischen Sinn bewertet
werden. Man muss nichts gedanklich in Geldeinheiten pressen, also
bepreisen. Weil die Arbeit, die getan werden muss, wird einfach getan.
Kein Verhandeln, keine Konkurrenz, kein Gewinnstreben.
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In der Gemeinschaftsküche wird am Abend zusammen gekocht und gegessen |
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Das Essen ist
manchmal etwas ausgefallen. Aber wer hat schon jemals einen selbst
gefangenen Frosch gegessen, welcher in selbst gebauten Tellern und mit
selbst geschnitzten Löffel serviert wurde? |
Von diesem Land können wir alle leben. Nur
das Wasser und die Elektrizität kommen von draußen. Strom würden wir
eigentlich nicht brauchen. Und das Wasser wird auch eigentlich auf der
Farm gereinigt und trinkbar gemacht. Dafür fließt es durch eine große
Tonne, in welcher Steine, Asche und Sand sind.
Unten kommt Trinkwasser heraus.
Hier sieht man mich bei einem Salto in den Teich. Man beachte das Klo mit wunderbarer Aussicht!
Alles auf der Farm scheint ausgeglichen,
ausbalanciert zu sein. Zum Beispiel: Sandot erzählt uns, dass alles so gebaut wurde, dass es möglichst
wenig Erhaltungsaufwand
braucht. Die Dinge arbeiten alleine und regulieren sich möglichst
selbst. Das steht selbstredend im Gegensatz zu unserem täglichen Leben
in der Marktwirtschaft, wo jedes Unternehmen Kunden braucht, die
möglichst abhängig von ihm sind. Firmen tendieren dazu, Dinge so zu
produzieren, dass sie möglichst viel Erhaltung brauchen, oder die man
nach der Verwendung überhaupt wegwirft, wie zum Beispiel Rasierklingen
oder gar Mobiltelefone.
Planned obsolescence heißt das Schlagwort. Auf der Farm ist so ein Gedanke fremd.
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Sowohl ökologisch, als auch sozial nachhaltig gebautes Blätterdach |
Aber warum baut Sandot dann keine Dächer, die 200 Jahre halten? Warum wird das Dach aus großen Blättern gefertigt? Es muss
alle 5 Jahre erneuert werden. Seine Antwort: Dadurch kann er alle fünf Jahre neuen Leuten zeigen, wie man solche Dächer baut. Es ist also eine Art
soziale Nachhaltigkeit,
an welche Sandot hierbei denkt. Denn in 200 Jahren würde sich niemand
mehr erinnern, wie die Dächer gebaut wurden, wenn sie aus anderen
Materialien gebaut wurden. Und: Die Blätter können dann als
Dünger verwendet werden. Dieses Nachhaltigkeitsdenken haben wir in unseren westlichen Kulturen schon völlig verlernt.
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Bambusbrücke |
Da Wasser von draußen kommt, muss auch
etwas nach außen gegeben werden, sonst wären Geben und Nehmen nicht
ausbalanciert. Das Geben wird durch den
Tourismus erfüllt. Touristen wie wir kommen auf die Farm und zahlen eine kleine Gebühr von
2 Euro pro Tag
für die Unterkunft. Auf der Farm kann man dann lernen und viel
erfahren. Ohne das Geld der Touristen könnte nichts von außerhalb der
Farm bezogen werden.
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Auch die Fauna scheint gut zu gedeihen... |
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Frosch im Badezimmer |
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...und ein Gecko |
Geben und Nehmen müssen dabei
nicht direkt erfolgen.
Wenn man zum Beispiel die Frucht eines Baumes genießt, gibt man nichts
augenblicklich zurück. Aber idealerweise hat jemand vorher die Pflanze
bewässert. Und nach der Konsumtion der Frucht werden die Samen der
Pflanze verteilt. Es ist also auch ein
indirektes Geben und Nehmen
möglich, eines, dass auf lange Sicht und über den individuellen
Lebenszyklus hinsausgehend durchgeführt wird. Aber es hilft allen. Die
Früchte, die wir essen, haben unsere Vorgänger bewässert. Der Garten,
den wir anlegten, kommt unseren Nachfolgern zugute. Diese
langfristige Art des Austauschs scheint
mir eine ausgeglichenere Art des Zusammenlebens zu sein, als es der
direkte Austausch der heutigen Marktwirtschaft erzwingt. Es ist eine
Form des Gebens und Nehmens über die Generationen hinweg,
ohne dass Zinsen anfallen würden.
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Von uns angelegter Garten unter einem Mangobaum |
Auf die Frage, warum der Zaun auf seinem Grundstück so schäbig sei, antwortet Sandot:
“It is better to make friends, than a fence!”
Wenn jeder um dich herum dein Freund ist, wird er dich beschützen und
du ihn. Wenn du nur von Feinden umgeben bist, hilft auch der höchste
Zaun nichts. Vielleicht sollte man diese Strategie mal den Leuten im
Nahen Osten erzählen?
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Sogar eine nachhaltig gebaute Schaukel gibt es |
Als Sandot mit der Farm anfing, sagten die
Leute, er wäre verrückt. Heute inspiriert er Leute, die aus der ganzen
Welt kommen. Wie gesagt, die Arbeit hier ist ein Wahnsinn! Er zeigt uns
mit seiner Arbeit eine Form des Nachhaltigkeitsdenken, welches uns als
fremd und lange vergessen vorkommt. Vielleicht ist es an der Zeit, uns
wieder rückzubesinnen, um unseren
Fortschritt nachhaltiger zu gestalten?
Vielleicht ist es an der Zeit, unsere Gesellschaftssysteme wieder auf
soziale und ökologische Nachhaltigkeit umzustellen? Von einem Bauern im
Norden Thailands konnten wir überraschend viel darüber lernen.
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Waschbecken |
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Sandot beim Unterricht |